Donnerstag, 2. Juni 2011

Geschenke des Lebens

Es war ein dickes Buch, fest gebunden, die Buchdeckel mit rotem Stoff überzogen - so wie Bücher eben nun mal sind. Hätte dieses Buch in einem Regal gestanden - man hätte es für einen ganz gewöhnlichen Roman gehalten. Tatsächlich hatte dieses dicke Buch nur weiß- gelblich unbeschriebene Seiten.
Ich bekam es geschenkt - ich denke da war ich 8 oder 9 Jahre alt - und für mich war es ein Schatz - ein bisschen so als hätte ich noch nie soetwas Schöneres gehabt - und es sollte mein erstes Tagebuch sein.

Letzlich ist dieses rote Buch es dann doch nicht geworden, weil es Teil einer ganz anderen Geschichte wurde. 

Ein paar Jahre später - ich denke ich war 11 oder 12 bekam ich wieder ein Buch mit weiß-gelblichen, unbeschriebenen Seiten geschenkt . Es sah weniger prächtig aus - kleiner, dünner, der Einschlag nur aus dickem Papp-Papier - rosa die Buchdeckel und rot der Buchrücken. Dieses Buch wurde mein erstes Tagebuch und im Laufe der Jahre wurden es richtig viele Bücher, die sich mit den Tagen und Nächten und all dem was mir begegnete, füllten.

Gerade musste ich daran denken weil mir längst verklungene Worte der Vergangenheit wieder einfielen, d.h. in diesem Fall war es eine Frage die mir einmal gestellt wurde: "Möchtest du denn nicht mal etwas für dich behalten"?

Jetzt wo ich darüber nachdenke - 
was könnte man denn überhaupt für sich behalten wollen, das zu behalten man auch die Macht hätte?
Und wenn man die Macht hätte und es festhielte - würde man es dann überhaupt noch wollen?

Alles was mir wichtig im Leben ist, das kann man sich nicht holen, nicht kaufen, nicht erzwingen, nicht stehlen, nicht basteln, kochen oder backen - das bekommt man geschenkt und erst das macht es so wertvoll, dass ich es gerne behalten würde... aber ob ich es dann auch wirklich behalten kann - das ist eine ganz andere Frage und ich glaube nicht, das wirklich ich das zu entscheiden habe. 

Was die Geschenke des Lebens betrifft, war gestern ein reicher Tag... 
Ein Mensch der meine Hand hielt und sich dafür bedankte das ich nach ihm gesehen habe,
ein Mensch der mit mir redete und beim Gehen den Eindruck hinterließ, das es ihm gut getan und weitergeholfen hat das er es so tun konnte - auch wenn es an der Situation nichts ändert,
eine ehemalige "nachgeordnete" Mitarbeiterin fing von einer Backe zur anderen an zu strahlen als sie mich aus dem Auto steigen sah, kam auf mich zugestürmt als wollte sie mich umrennen und sagte das sie mich richtig vermissen würde,
und zwei andere die vor Jahren mal bei mir als Berufsanfängerinnen anfingen, erzählten sich das ich richtig streng gewesen wäre, ich sie "erzogen" hätte aber das gut für sie gewesen wäre und sie gerne für mich gearbeitet haben...
Und all das hat sich nur deshalb wie ein Geschenk angefühlt weil es "grundlos" war. 
Die guten Gefühle die mir andere Menschen entgegen bringen und die mir selber dann ein gutes Gefühl geben - die würde ich gerne "behalten" , aber die sind flüchtig. 

Nur was man von Herzen gerne verschenkt, bekommt man zurück, für das was man für sich behält, bekommt man nichts... 
Also wieso sollte ich etwas für mich behalten wollen?