Freitag, 6. Januar 2012

... wo geht es hin?...

Eine Oma ist schon etwas älter, geht nicht mehr arbeiten, sie hat Zeit für das Enkelkind, jeden Tag, den ganzen Tag. 


Wenn ich an meine frühsten Kindertage mit meiner Oma zurück denke, dann war es irgendwie so - obwohl sie sogar noch an 2 Stellen arbeiten ging. Bei der einen Stelle handelte es sich um eine Witwe die im Rollstuhl saß, im Erdgeschoss eine eigene Wohnung bei ihren Kindern hatte. Meine Oma half der Witwe im Haushalt, machte die Betten, räumte auf, putzte, kaufte ein - und ich durfte immer dahin mitgehen. Ich weiß es nicht mehr - aber ich glaube da ist sie bestimmt auch nicht jeden Tag hin gegangen - sonst hätte sich in mir ja nicht der Eindruck verfestigt das meine Oma immer Zeit hatte - sondern mehr das ich immer irgendwohin mitgenommen wurde... 
Bei der anderen Stelle handelte es sich um ein Tante Emma-Lädchen wie sie in den damaligen Jahren selbst in Städtchen noch sehr zahlreich zu finden waren. Dort hat sie auch irgendwelche Aufräum- und Putzarbeiten erledigt. Und während sie das tat, durfte ich im Hinterzimmer des Lädchens sitzen und bekam kleine Blöckchen in die ich malen durfte. Diese kleinen Blöckchen hatten meistens den Werbeaufdruck irgendeiner Brauerei. Im Laden dienten sie als Rechnungsblöcke. Die Kasse war dort noch ausschließlich eine große Rechenmaschine in der auch das Geld lag und sonst nichts. Wenn jemand eine Quittung brauchte, dann bekam er einen solchen Zettel aus dem Block ausgefüllt. 


Meine Oma hatte Zeit, konnte mich überall mit hinnehmen, hat für mich meinen Lieblingspudding gekocht, mit mir Plätzchen gebacken, mit mir aus dem Fenster gesehen und mir Geschichten erzählt von Donner und Blitz, von den Engeln die Plätzchen für Weihnachten backen wenn sich im Herbst der Himmel rot färbte, vom Krieg und Stalingrad wo ihr Mann fiel, sie hat mich gebadet und abends zu Bett gebracht... 
Sie war "meine Oma" und sie hatte Zeit für mich. Viel von meiner Sicht auf die Welt, meinen Hoffnungen, das was mich tröstet, meinen Werten - letztlich hat sie ihren großen Anteil daran. Und auch wenn mir nur sehr wenige Jahre mit ihr blieben - und ich mich an das allermeiste gar nicht mehr erinnern kann weil ich zu klein war - war sie ganz besonders wichtig für mich - nicht nur damals, sondern durch das was sie mir mitgab letztlich heute noch.


Ohne das ich je wirklich darüber nachgedacht habe, war völlig klar - meine Oma war eine perfekte Oma und so eine wollte ich auch sein... 
Neulich aber wurde mir bewusst - selbst wenn ich es noch so gerne will, ich eine solche Oma überhaupt nicht sein kann... Mal kurz sehen und treffen auf ein Hallo geht mit der kleinen PinkLady fast immer, aber wenn ich wirklich Zeit mit ihr verbringen will oder sie gar mal länger als ein paar Stunden will, dann muss ich schon heute dafür einen Platz für sie im Terminkalender suchen... eigentlich unglaublich... sie ist meine Familie - was sollte es Wichtigeres geben???? und vor mir liegen noch Jahrzehnte Berufsleben der Dauerabrufbereitschaft und - erreichbarkeit ,- aber bis dahin wird die Pinklady längst erwachsen sein und vielleicht schon selber Mutter... 

Woher die Vorstellung das Omas Zeit haben? - War das früher so? oder ist es doch nur ein verzehrtes Bild der Wahrnehmung? Hatte ich damals einfach Glück meine Oma für mich zu haben - oder heute einfach Pech das ich nicht so eine Oma für die PinkLady sein kann??? 

Eines allerdings steht für mich fest - ohne die Zeit mit meiner Oma und all dem was sie mir mit auf den Weg gab, wäre ich nicht so "gut" durchs Leben gekommen - und das was sie mir mitgab, das hätte mir keine Kinderkrippe, kein Hort, keine Vorschule, keine Ganztagesschule geben können.


Um in den nächsten Jahrzehnten die Menschen am Arbeitsmarkt zu haben die gebraucht werden, werden wir infolge des demographischen Wandels gar nicht umhin kommen alles was Beine hat in die Arbeitswelt zu bringen - auch die Omas bis zuletzt, auch die Hausfrauen die sich jetzt vielleicht noch den Luxus gönnen können für eine mehr oder minder lange Zeit einfach "nur" Hausfrau und Mutter zu sein... 
Aber das mitunter der Eindruck erweckt wird, das es das non plus ultra ist und das erstrebenswerte Ziel einer Gesellschaft, Kinder frühzeitig in Krippen und Horte zu schaffen damit die Eltern arbeiten gehen können - und "die Frauen" das auch wollen - wer soll das denn glauben?
Sicher gibt es Frauen die das wollen und die sollen dann auch die Möglichkeit haben - keine Frage... aber gerade all die die im Niedriglohnsektor arbeiten - und der breitet sich ja bekanntlich rasant aus - die wollen tatsächlich alle die Doppelbelastung - Arbeit und Kinder für einen Lohn der kaum über dem des Hartz IV-Regelsatzes liegt???  Wer soll das denn glauben??? 


Die Zahlen der alten und pflegebedürftigen Menschen werden in den nächsten Jahrzehnten stark ansteigen - das ist inzwischen kein Geheimnis mehr, ebenso wenig das wir schon heute große Finanzierungsprobleme auf diesem Gebiet haben. Was sich vielleicht noch nicht so richtig rumgesprochen hat - der Anteil der alten Menschen die heute in Pflegeheimen versorgt werden liegt im einstelligen Prozentbereich, d.h. weit über 90 % der alten Menschen wird immer noch von den Familien versorgt. 

Jetzt frage ich mich - wenn wir immer mehr dazu übergehen das Arbeitsleben zu optimieren und den Bedürfnissen der Arbeitswelt anzupassen - Kinder ab in die Horte und Krippen, flexible Arbeitszeiten nach den Arbeitgeberbedürfnissen, immer längere Öffnungszeiten von Geschäften, Ämtern - schließlich wollen wir ja keine Dienstleistungswüste sein... etc - und nur dazwischen, allzeit abrufbereit und wenn es trotzdem zufällig passt, darf dann Familie sein... 
wenn das der Wert ist - Geld und Karriere kommen an erster Stelle als absolute Notwendigkeit und Muss - wer von den so geprägten jungen Menschen wird sich dann in Zukunft noch zuständig für die Pflege der dann alten Eltern fühlen??? 
Die haben es doch von uns so gelernt - Job ist wichtig, Karriere ist wichtig, Geld verdienen ist wichtig, allzeit bereit für den Job ist wichtig, neuste Technik und paar mal im Jahr in Urlaub fliegen ist wichtig... 
und dann wenn noch Zeit und Energie bleibt, kommt Familienerleben... 
Was sollte sie daran hindern uns zum Vorbild zu nehmen - und so wie wir sie einst für den Job in die Horte stecken, so stecken sie uns für den Job in die Altenheime... 
In so einer Gesellschaft will ich nicht leben, und eigentlich können wir uns so eine Gesellschaft auch gar nicht leisten... gar nicht auszudenken wenn die angehörigen Pflegenden in größerem Umfang ausfallen und die Heime von noch mehr Pflegebedürftigen aufgesucht und entsprechend finanziert werden müssen... 


Die Familien müssen gestärkt werden - das ist schon ganz richtig... aber ich glaube durch einen Wertewandel, indem die Familie einen anderen, höheren Stellenwert bekommt und nicht der Arbeitswelt völlig untergeordnet wird,umso weniger da von den Veränderungen in der Arbeitswelt doch nur einige wenige richtig profitieren und immer reicher werden, während der Mittelstand immer weiter wegbricht... 


In den letzten Jahrzehnten hat sich viel verändert - u.a. die Ladenöffnungszeiten. Aber zu welchen Konsequenzen so manch vielleicht gut gemeinte Änderung führen würde, wurde wohl mitunter zu wenig bedacht... länger die Geschäfte auf heisst eben auch weniger Zeit für die Familie... Wie soll eine Familie auch abends noch die Gelegenheit haben gemütlich abends einzukaufen, wenn dann ein Teil der Familie selber hinter der Kasse sitzt? in einem lange geöffneten Amt? einem rund-um-die-Uhr-Call-center??? Mir scheint den Familien wurde mit dieser Änderung mehr genommen denn gegeben...