Freitag, 4. März 2011

Sonnenaufgang

Es war die Weite um den Ort, die Felder, Weiden die in der Ferne von Wald gesäumt werden... es war der an manchen Stellen so scheinbar zum Greifen nahe Horizont, der große schwarze Vogel der auf einem hohen Holzpfahl inmitten einer dunstig nebeligen Wiese vor dem Ortseingang saß und alles ein bisschen so aussehen ließ wie der Vorspann aus einem Gruselfilm - vor allem aber auch die Sonnenaufgänge - die mich für dieses Stückchen Welt auf Anhieb begeisterten als ich noch jeden Morgen aus der nahen Stadt zum Teich reiste.

Das war die Zeit in der die Bilder und Eindrücke so stark auf mich wirkten und ich stellte mir vor wie es wäre diese Bilder öfter zu sehen, die Eindrücke mit dem Fotoapparat einzufangen. Es war auch die Zeit in der ich ganz schnell zu dem Entschluss kam, das ich hier leben will und es Zeit wird von der Stadt aufs Land zu ziehen.

Einen dieser beeindruckenden Sonnenaufgänge habe ich heute morgen gesehen als ich aus meinem Schlafzimmerfenster blickte. Die Sonne stieg in der Ferne als orangefarbener leuchtender großer Feuerball an einem dunstigen Himmel scheinbar direkt über den Häusern am Ortsrand auf.
In der Stadt habe ich das so nie sehen können. Wenn die Häuser endlich den Blick auf die Sonne frei gaben, stand sie schon hoch am Vormittagshimmel. Bis dahin hat man ihr Licht oder die Schatten die ihr Licht warf gesehen - nie aber die Sonne selber. Selbst wenn ich aufs Dach gestiegen bin und aus der Dachluke nach dem Sonnenaufgang Ausschau hielt, blieb er meinem Blick versperrt.








Es sind immer die Bilder und Eindrücke die ich aufnehme - oder die einfach in meinem Kopf zum Leben erwachen - und das Gefühl für den Augenblick verändern.
Heute morgen als ich die Sonne so aufgehen sah, da war es wie eine Bestätigung das die Entscheidung hier leben zu wollen für mich richtig war. Aber es war auch ein Augenblick Ruhe, innerlich los lassen und in meiner eigenen kleinen Welt zu verweilen die nicht so laut und schnell ist und in der das scheinbar Alltägliche zu etwas ganz Besonderem wird weil ich es bewußt sehe, wahrnehme.

Gestern abend hat mich Schmierläppchen angerufen und ich für mich selber habe in dem Gespräch wieder einmal festgestellt wie wichtig es ist immer wieder seinen eigenen Standpunkt zu finden und die eigenen innere Mitte.
Natürlich kann ich es auch nicht verhindern das das was von außen auf mich einwirkt in mir eine Wirkung erzeugt und letztlich damit das Gefühl und die Selbstwahrnehmung verändert. Aber er und sein Wohlbefinden, besser gesagt Mißbefinden - scheinen inzwischen ausschließlich über jedes Wort, jede Mimik oder Geste von dem Raubtier gesteuert zu werden.
Alleine das Sein des Raubtiers scheint er als Angriff auf sich persönlich wahrzunehmen und demontiert sein Selbstwertgefühl.
Jeder Versuch ihm zu vermitteln das er nicht alles auf sich beziehen soll oder persönlich nehmen - weil es einfach nicht so ist - läuft ins Leere. Er will "verstehen" warum das Raubtier die Dinge macht wie es sie macht... Muss ich alles verstehen? Ich denke nicht - will ich auch gar nicht. Manche Menschen haben in meinen Augen einen Knall und entsprechend nehme ich dann das was sie tun oder lassen zur Kenntnis - welchen Sinn macht es da das ich darüber nachdenke wieso die einen Knall haben???

Da fällt mir gerade wieder ein Spruch ein den ich mal gelesen habe und der mir richtig gut gefallen hat - nämlich das man sich über alles aufregen kann - aber man keineswegs dazu verpflichtet ist. So sehe ich das mit dem Raubtier auch. Natürlich kommt da sehr viel wo sich mir auch die Nackenhaare aufstellen und ich mich nur noch frage was das denn für eine Nummer ist und ob es wohl noch ganz dicht ist. Aber damit ist das für mich dann auch schon wieder erledigt.
Oder anders vielleicht sogar noch - vieles was mich an dem Verhalten und vor allem der völlig überzogenen Selbstdarstellung des Raubtiers früher auf die Palme gebracht hätte - heute kann ich innerlich nur noch darüber lachen weil es inzwischen mehr als bizarre Züge annimmt.
Aber was immer das Raubtier tut oder läßt - ich käme nicht im Traum auf den Gedanken davon etwas persönlich zu nehmen - weder im Guten noch im Schlechten. Dieser Mensch kann mich weder tadeln, rügen noch loben - dafür weiß ich einfach, dass alles und immer bei dem Raubtier nur der eigenen Selbstdarstellung und Machterhalt dient und nichts, aber auch überhaupt nichts mit mir persönlich zu tun hat.
Schmierlappen erlebt das für sich anders und manchmal denke ich, dass wenn er da für sich nicht endlich ein bisschen Realität rein bringt, dann wird es ihn kaputt machen.

Mal überlegen was ich mit dem heutigen Tag machen werde... Ich denke ich behalte den einfach für mich, verbummel und verträume ihn und bleibe mir selber auf der Spur.
Ich wünschte ich könnte mich an den Traum von letzter Nacht erinnern... das ich geträumt habe weiß ich noch, aber nicht mehr wohin mich der Traum verschlagen hatte. Aber es war ganz sicher ein angenehmer Traum weil er so einen Eindruck in mir zurück gelassen hat.


10.11 Uhr: Neues vom ländlichen, öffentlichen Nahverkehr
Die Hauptstraße eines Dorfes ist auch an Werktagen vormittags nicht unbedingt belebt. Die einen Menschen machen ihren Haushalt, die anderen sind auf der Arbeit, die Kinder in der Schule oder dem Kindergarten... Wenn also ein Busfahrer seinen Bus über die Hauptstraße lenkt, sieht er nicht unbedingt viele Menschen... Aber wenn er dann den einen oder anderen sieht - und dieser Mensch ihm zuwinkt was das Zeug hält... denkt der Busfahrer dann er wäre auf dem Weg ein Star zu werden und der Dorfbewohner wäre ein Fan??? oder könnte es nicht sein das dieser Dorfbewohner - übrigens an einer Bushaltestelle stehend - dem Busfahrer mit dem Winken signalisieren will das er mitfahren will???
Eigentlich schon seltsam das man an einer Bushaltestelle wartend - übrigens an der gleichen wie am Vortag, zur gleichen Zeit - dem stündlich fahrenden Bus mit Winke-Winke überhaupt signalisieren muss das man mitfahren will...
In diesem Fall fuhr der Bus dann auch noch zur Krönung der Geschichte an der Bushaltestelle mit dem winkenden Dorfbewohner vorbei...
Ich muss zugeben - dieses Abenteuer öffentlicher Nahverkehr auf dem Land amüsiert mich so sehr, das ich kaum auf die Idee komme mich darüber zu ärgern. Wichtig ist nur, dass man bei diesem Abenteuer immer ein Handy und genügend Geld für ein Taxi dabei hat... für den Fall der Fälle...


18.37 Uhr: 
Heute nachmittag war die Maus da. Sie hat noch immer das süßeste Lächeln von der ganzen Welt, die niedlichste Sabberschnute und die größten Kulleraugen.
In einer Welt in der es so oft nur noch um weiter, schneller, höher geht... darum wer wem von Nutzen sein kann und am Besten alles in Euro umgerechnet wird... da ist da so ein kleiner Mensch und man ist begeistert, verzaubert, vergnügt, berührt - einfach nur weil es diesen Menschen gibt, es reicht das er ist wie er ist in jedem Augenblick.
Ich hätte Tränen lachen können über das Gesicht der Maus, als sie die Seifenblasen sah die ich ihr entgegen pustete. Da war das kraus gezogene Näschen, eine merkwürdige Mischung aus weit aufgerissenen staunenden Augen und dem gleichzeitigen Versuch sie fest zu schließen weil ihr die bunten Bläschen die durch die Luft schwebten nicht ganz geheuer schienen. Der Mund war weit geöffnet als wäre sie nicht sicher ob die Blasen vielleicht nicht in den Mund gesteckt werden müssen und statt der ganzen Patschehand streckte sie nur ein Fingerchen den Blasen entgegen.

19.56 Uhr:
Wenn ich auf den heutigen Tag zurück blicke, dann habe ich wohl genau das gemacht was ich mir schon heute morgen vorgenommen habe - ihn verbummelt und verträumt und einfach jeden Augenblick so genommen und genossen wie er kam.
Vormittags als die Maus noch nicht da war, habe ich bei einem online-Bücherversand nach Büchern und Filmen gestöbert und ganz zufällig bin ich dann auch auf "Sandokan" gestoßen und habe mich an meine Teeniezeit erinnert. Damals lief der Mehrteiler im Fernsehen und der Hauptdarsteller Kabir Bedi hat mein Teenieherz einfach nur höher schlagen lassen. Die Augen, der Mund, in dem Film die exotische Kleidung, wild, leidenschaftlich, fürsorglich, furchtlos im Kampf gegen die Bösen...
Eigentlich habe ich noch nie Vollbärte bemocht - weder früher noch heute - aber bei ihm hat der einfach dazu gehört... Na ja, einmal an Teenieschwarm erinnert, habe ich mal gegoogelt und prompt genau das Bild im Netz von Kabir Bedi entdeckt, das es damals in der Bravo als Autogrammkarte gab. Ich kann mich erinnern das ich diese Karte damals hatte - und gehütet habe wie einen Schatz.
Irgendwann viel später habe ich ihn dann mal in einer anderen Zeitung auf einem Bild gesehen - nicht in dem prächtigen Sandokan-Outfit sondern in einem weißen Anzug - und darin sah er mindestens genauso gut aus wie als Sandokan...
Es würde mir so gut gefallen noch einmal in diesen Film einzutauchen wie in jenen vergangenen Tagen... Aber alles im Leben hat seine Zeit - und die des Sandokan ist vorbei.
Vermutlich würde ich den Film sehen und wäre enttäuscht weil er nicht mehr die verzaubernde, berauschende Wirkung auf mich hätte...