Montag, 29. Oktober 2012

Lebensrichtungen

Da ist die Zeit des Lebens an die ich mich gar nicht erinnere und dann noch die, an die es ganz verblasste Erinnerungsfetzen gibt. Die Erinnerungsfetzen sind so klein, so verblasst, dass ich mit letzter Sicherheit nicht einmal sagen könnte ob es wirklich Erinnerungen an etwas Erlebtes sind oder einfach nur Abdrücke und Eindrücke die etwas erlebtes hinterließ... 
Dann ist da die Zeit an die ich noch viele Erinnerungen habe wenn ich mich darauf einlasse mich zu erinnern, mir Zeit lasse, noch einmal ganz weit zurück denke... Das ist die Zeit in der ich immer nur noch vorne gedacht habe, immer getragen von dem Gedanken und der Vorstellung - "später, wenn ich groß bin..." Es war z.B. völlig unwichtig wie ich gestern aussah, was ich gestern getragen habe, was ich gestern gemacht habe - ganz vorwärts gerichtet war immer die Vorstellung und die Frage - wie wird es morgen, übermorgen, in einem Jahr, in 10 Jahren sein... 

Ich kann mich noch daran erinnern wie ich als Teenie abends im Bett lag und - obwohl es noch viele Jahre bis dahin waren - ich mich auf die Jahrtausendwende gefreut habe. 2000 statt 19hundertsoundsoviel... das klang spannend, aufregend... 
Und dann habe ich ausgerechnet, wie alt ich dann sein würde... Aus damaliger Sicht schien mir das sehr sehr alt. Aus heutiger Sicht war das noch nicht einmal im Bereich dessen was man heute als "die besten Jahre" bezeichnen würde.
Hätte ich damals weitergedacht, dann hätte mir auffallen können das offensichtlich zwischen der Zeit des Wartens auf das "groß werden" und eigene Wege gehen zu können - und der des unglaublich alt seins, nur ein ganz schmaler Zeitkorridor liegt... Es hätte das Verständnis für Zeit verändern können... aber so weit gedacht habe ich damals nicht... Die Jahre bis zur Jahrtausendwende schienen noch eine halbe Ewigkeit zu dauern...

Ich war damals so ungeduldig, ich weiß es  noch genau... ich wollte erwachsen sein, der Enge des ländlichen Lebensraumes entfliehen, Geld verdienen, ein eigenes zuhause haben... und ich wusste so genau wie es einmal sein würde wenn ich groß bin.... Na ja, ich wusste es ganz offensichtlich nicht - sondern glaubte nur es zu wissen... weil eigentlich alles ganz anders gekommen ist... Auf jeden Fall wurde ich damals immer zur Geduld gemahnt "du hast dein ganzes Leben noch vor dir"... Aber wer will schon solche Worte hören wenn das Leben ruft und man selber voller Ungeduld gar nicht abwarten will endlich loszurennen??? So sicher wie in jenen Tagen war diesem Spruch aus irgendeinem Munde zu begegnen, so sicher ist heute, dass ihn zu mir niemand mehr sagen wird... Es ist nicht mehr das ganze Leben - bestenfalls noch das halbe... oder weniger...

Gestern habe ich eine Krimi-Serie aus den 80iger Jahren gesehen, d.h. in den letzten Wochen habe ich so einige aus der Zeit gesehen. Manche davon waren zu ihrer Zeit soetwas wie die große weite bunte, aufregende Welt... Und heute... ich schüttel nur noch mit dem Kopf und verstehe nicht mehr wie uns damals die Typen von Miami Vice derart vom Hocker reißen konnten... aus heutiger Sicht sind es nicht einmal gute Schauspieler und die Dialoge soetwas von platt... viel spannender ist es für mich dann mir anzusehen was aus den Menschen wurde. Dank Internet ist das heute ja ganz leicht... aber manche Menschen sollte man tatsächlich besser in Erinnerung behalten wie sie waren. Ich musste feststellen, dass der Schönheitswahn doch schon weiter um sich gegriffen hat, als mir bislang bewusst war. Aus vielen der Schönen, Reichen und Berühmten von eins sind wirklich schrecklich entstellte Menschen geworden die merkwürdig verzerrte maskenhafte Gesichter haben... Umso erstaunlicher das es heute noch immer soviele gibt die meinen es könnte jemanden geben der ein Mittel gefunden hat um das gelebte Leben aus dem Gesicht zu entfernen...