Samstag, 27. Oktober 2012

Das Leben der Anderen...

Ich glaube gestern war es. Da habe ich eine Reportage über Menschen gesehen die jeden Tag richtig weit an ihren Arbeitsplatz pendeln. 
Ich habe mich daran gewöhnt einen sehr kleinen Radius zu haben an dem für mich das Arbeitsleben stattfindet. Hauptsächlich findet das wenige Fußminuten von meinem zuhause statt, gelegentlich wenn ich als Dozentin tätig bin in der wirklich sehr nahe gelegenen Stadt... mal gerade etwas mehr als 12 km. Und genau dort ist auch das Büro das wir zwischenzeitlich für die Selbständigkeit angemietet haben.

Ich habe mich daran gewöhnt, dass meine Arbeitswelt in nächster Nähe liegt. Beim Schauen der Reportage habe ich mich allerdings daran erinnert, dass das keineswegs immer so war. Als ich meinen zweiten Beruf erlernte, war ich täglich 4 Stunden mit Bus und Bahn unterwegs... 2 Stunden morgens, 2 Stunden nachmittags. Die Bilder aus der Reportage kamen mir nur allzu bekannt vor...
Zuerst ging es mit dem Bus zum Bahnhof... rennen über den Bahnsteig um den Zug noch zu erwischen... Manchmal hatte er eine Verspätung, dann musste ich an der Stelle zwar nicht so eilen, dafür machte sich aber innere Unruhe breit. Das Risiko die anschließende S-Bahn im nächsten Bahnhof nicht mehr zu erwischen wegen der Verspätung fuhr mit... 
Dann wieder rennen, in die S-Bahn springen und weiter ging es... Von der S-Bahn bis zum Zielort waren es dann auch noch einmal 20 Minuten Fußmarsch... 

Wenn man mal mit der Bahn fährt, dann nimmt man es vielleicht nicht so wahr. In den 2 Jahren in denen ich täglich dieses Programm absolvieren musste, war das schon anders. Es war ein Horror. Verspätungen gab es oft und damit verpasste Anschlüsse, verlängerte Wartezeiten bei Wind- und Wetter. Ein bisschen war es so als würde ein solcher Tag nie enden wollen... Durch die Umsteigerei war es auch nicht wirklich erholsam. Es war ein ständig auf dem Sprung sein - von einem Verkehrsmittel ins nächste, kaum einen Sitzplatz gefunden schon wieder aussteigen und weiter... 

Erst als ich die Reportage sah und wie sehr eine solche Pendelei auf das eigene Leben wirkt, wurde mir bewusst, wieviel Zeit man damit verbringt unterwegs zu sein statt zu leben, wieviel Lebensqualität verloren geht und man sich zumindest die Frage stellen sollte ob es das einem wert ist. Aber selbst das lässt sich häufig nicht wirklich zeitnah wirklich bewerten. In meinem Fall würde ich auf jeden Fall sagen - hätte ich damals darüber nachgedacht, dann wäre ich zu der Beurteilung gelangt das mir diese Ausbildung das nicht wert ist und ich mir etwas anderes - näher suchen sollte. Aus der heutigen Sicht - ja es hat sich gelohnt - weil dieser Baustein ganz wichtig dafür war heute das machen zu können was ich mir für die Zukunft in Sachen Selbständigkeit und damit Selbstbestimmung und mehr Lebensqualität, auf die Fahnen geschrieben habe.

Reportagen über den sogenannten Menschen von nebenan, sehe ich total gerne. Es ist ein bisschen wie hinter die Fassaden blicken jenseits des oberflächlichen Scheins. Und manchmal hilft es zu erkennen wie gut es einem selber eigentlich geht und wie wenig Grund man zu klagen hat - oder aber es bringt ein bisschen Realität in die eigene manchmal überzogene Wahrnehmung und stößt zu neuen Wertungen an.

Karriere machen - was ist das schon wenn man dafür das eigene Leben verpasst?