Dienstag, 16. September 2014

Wir bezahlen einen hohen Preis

Wir bezahlen einen hohen Preis...

Es gab einmal eine Zeit, in der war Fernsehen eine kleine Auswahl, zeitlich begrenzten Vergnügens…
Vor Nachmittags drei oder vier Uhr konnte man bestenfalls das Testbild mit einem schrillen Ton hören und sehen… und unter der Woche – meist kurz nach Mitternacht kam die schwarz-rot-goldene Flagge die im Wind wehte im Takt der Nationalhymne… und damit ging ein Fernsehabend zu Ende… Nur am Wochenende gab es bis vielleicht ein oder zwei Uhr in der Nacht ein Programm…

Und auf bestimmte Filme hat man sich mitunter die ganze Woche schon gefreut, am nächsten Tag war er dann Thema in der Schule, am Arbeitsplatz... durch das Wenige was sehbar war, hatte man mit anderen Menschen in seinem Umfeld ein gemeinsames Erleben worüber man sich austauschen konnte und wollte...

Wenn ich jetzt zurück denke, da habe ich zu dieser Zeit noch Fernsehen geguckt um in eine andere Welt einzutauchen,
mich von Handlungen und Schauplätzen hin- und davon reißen zu lassen…
Ich konnte in Filme so tief eintauchen das ich die Wirklichkeit um mich herum vergaß und irgendwann selber mitten drin zu sein schien… in ihnen konnte ich miterleben, mitfühlen...

Ich kann mich an einen Film erinnern den wir auf Video aufgenommen hatten… und jedesmal wenn die letzten Töne zum Abspann klangen, hab ich den Film zurück gespult und ihn neu geguckt…
und selbst nach dem dritten oder vierten mal hintereinander hab ich mich davon mitreißen lassen, bin tief eingetaucht bis ich mitten in der Wüste stand, den heißen Sand an meinen Füßen spürte und ihn in der Ferne durch die flimmernde Hitze anreiten sah um mich zu retten, eingehüllt in Stoffen aus kräftig leuchtenden Farben die ihn umwehten…
und wie eine mehr als lästige Störung hörte ich die Stimme meiner Mutter die irgendetwas sagte wie – nicht das du denkst, du bist das da in der Wüste und der Scheich dich retten kommt...

Das war die Zeit als auch Fernsehen gucken – oder dann eben auch Videos – ein Stück Waffe gegen den Alltag waren, weil sie ihn zurück drängten und am Ende immer ein sehnsüchtiges Seufzen zurück ließen wenn der Held mit seiner Heldin im Sonnenuntergang verschwunden war oder die atemlose Spannung und Anspannung nach ließ weil alle bösen Buben entlarvt und dingfest gemacht waren ohne das man dafür Unmengen gruselige brutale Bilder hätte über sich ergehen zu lassen müssen...

Aber ohne es zu merken war es damit irgendwann vorbei…

Die Programmzeiten wurden verlängert und man konnte schon morgens um 10 Uhr Fernsehen gucken…
Die ersten privaten Sender – anfangs nur von wenigen Menschen zu empfangen… dann die Kabelanschlüsse… Ich kann mich noch erinnern wie aufgeregt ich war als endlich das Kabel in unser Haus gelegt war und plötzlich die ganzen Sender empfangbar waren mit den vielen neuen Formaten von denen man schon soviel gehört hatte… eine wahnsinnige Lust zu konsumieren bis zum Abwinken…

... die neue schöne bunte Medienwelt die uns soviel mehr von alldem zu bringen schien was wir bisher hatten... mehr mehr mehr...

Das bei diesen Sendern jeder Film einmal mitten drin für eine Werbeeinblendung unterbrochen wurde, schien nicht weiter zu stören…
das da auch immer mehr sehr flache Dinge kamen die nur noch berieselten, von Anfang in keiner Weise das Potential hatten mitzureißen, eintauchen zu lassen schien nicht weiter schlimm… oder blieb gar unbemerkt... es schien ja alles mehr zu sein - und das manchmal weniger mehr ist - es braucht seine Zeit das zu begreifen...

Dann wurden es zwei Werbeblöcke, die Blöcke wurden länger, dann drei…

Unbemerkt von mir selber fing ich an den Spaß daran zu verlieren Filme zu gucken… immer wenn ich selbstvergessen mitten im Geschehen versunken war, hat mich der Werbeblock in die Wirklichkeit zurück geschleudert und an dessen Ende ging das neu eintauchen nicht mehr…
Und durch die Gier nach immer mehr Konsum war da auf einmal auch gar nicht mehr die Zeit sich entspannt zurück fallen zu lassen und das Gesehene und dabei Gefühlte nachklingen zu lassen… kein sehnsüchtiges Seufzen mehr und weiter träumen, sich vorzustellen wie es wäre wenn…

Fernsehen war immer noch Fernsehen – aber es hatte das was sich anfühlt wie entspannen, wie mit-er-leben verloren…
Es hörte auf Zufluchtspunkt zu sein sondern wurde etwas, was einen überschüttete mit der ganzen Bandbreite an – das kann doch nicht wahr sein, das gibt es doch nicht, spinnen die denn, ich lach mich kaputt weil das doch kein Mensch ernstlich glauben kann, Belanglosigkeit, Kopfschütteln, Abscheu…
fing an nervös zu machen weil es zuviel wurde...

Von ganz ganz ganz wenigen Ausnahmen vielleicht abgesehen, ist es nichts mehr was den Akku wieder aufladen kann den der Tag hat leer laufen lassen…

Genauso ist es mit vielen anderen Dingen auch die zur allzeit verfüglichen Massenware verkommen sind – sie tun nicht mehr wirklich gut… bedeutungslos, hinterlassen keine Spuren… Heute kann ich sagen ich hab hunderte "Blockbuster" gesehen, aber an den letzten Film der meine Seele berührt hat und sie schwingen ließ - so lange her das ich mich nicht mehr daran erinnern kann...

Die scheinbare allzeitige Verfügbarkeit von allem macht wertlos und deswegen bezahlen wir einen hohen Preis dafür.