Dienstag, 16. September 2014

Das Schloss aus Worten


Das Schloss aus Worten

Es war einmal ein junges Mädchen, das saß vor ihres Vaters Haus und blickte gespannt in die Ferne des Lebens und fragte sich was dort hinter dem Horizont wohl verborgen war und nur darauf wartete von ihr entdeckt zu werden… Und voll Ungeduld wartete es auf den Tag, an dem es groß genug war um sich auf den Weg zu machen das heraus zu finden.

Der Sommer kam und ging ebenso wie der Winter und wieder ein Sommer und wieder ein Winter und so zogen die Jahre ins Land. Aus dem Mädchen war längst eine junge Frau geworden die es nun gar nicht mehr aushielt ruhig auf der Bank zu sitzen und sich mit dem Blick in die Ferne zu begnügen und eines Tages lief sie einfach los ihr Leben hinter dem Horziont zu suchen.

Auf dem Weg kam sie an vielen Menschen vorbei und schon nach einem kurzen Stück des Weges hielt sie ein Mensch an, sprach sie an und brachte ihr Worte – viele viele Worte, schöne Worte, große Worte, mächtige Worte und er überzeugte die junge Frau davon, das es die Steine sind mit denen sich ein zuhause für das Leben bauen läßt und sie gar nicht weiter gehen muss, weil das Leben kommen wird wenn sie ein zuhause dafür gebaut hat.

Und die junge Frau nahm die Worte und baute ein kleines gemütliches Häuschen und als sie damit fertig war, wartete sie auf den Menschen der ihr all diese Steine gebracht hatte und wollte ihm zeigen wie schön das Häuschen geworden war das sie für ihn und sich gebaut hatte.

Als es Abend war, kam der Mensch, aber er brachte noch mehr Worte, wieder wichtige Worte, beschwördende Worte, versprechende Worte und sagte, das das Häuschen viel zu klein ist als zuhause für ein ganzes Leben und das sich mit den neuen vielen Wortsteinen ein viel schöneres, größeres zuhause bauen ließe… Und als er gegangen war und sie mit dem neuen Haufen aus Steinen zurück ließ die er mitgebracht hatte, baute sie weiter…

Und so verging die Zeit, wann immer sie dachte das das Haus jetzt groß genug ist und das Leben einziehen kann, bekam sie noch mehr Worte von dem Menschen gebracht und das Leben das einziehen sollte, ließ auf sich warten.

Sie verbaute Wort für Wort, diese Arbeit wurde immer schwerer, kostete sie immer mehr Kraft und manchmal wollte sie aufgeben, längst war aus dem kleinen Häuschen ein großes Haus geworden, dann eine große Villa und am Ende ein wunderschönes kleines Schloss mit vielen Türmchen die dem Himmel entgegen ragten und auf deren Dächern bunte Fähnchen wehten, aber das Leben das darin wohnen sollte kam noch immer nicht.

Eines Nachts als die junge Frau erschöpft vom vielen Wort-Steine verbauen in einem unruhigen Schlaf lag, geplagt von düsteren Träumen, immer wieder ängstlich und traurig aufwachte und sich fragte wann sie denn endlich genug gebaut haben würde und endlich das Leben in das nunmehr kleine Schlösschen einziehen würde, hörte sie wie der Wind heranzog, leise pfeifend um die Türme wehte, für einen Augenblick schwieg er bevor er tief Luft holte, sehr tief – und er wurde zu einem gewaltigen Sturm der die Wahrheit brausend gegen das Schloss pustete…

Die Türme des Schlosses fingen an im Sturm der Wahrheit zu schwanken, die ersten Steine fingen an zu bröckeln… und sie dachte es müsste ein böser Traum sein, morgen früh würde sie aufwachen und sehen das es nur ein Alptraum war…
Aber der Sturm tobte weiter, die Türmchen schankten unter seiner Wucht mit der er an ihnen rüttelte und schüttelte immer bedrohlicher, krachend fielen erste große Brocken des Gesteins der Erde entgegen und sie schrie dem Sturm entgegen als könnte sie ihn mit ihrem Schrei übertönen, einschüchtern, zum Schweigen bringen…

Sie wollte diese Wahrheit nicht, sie wollte ihr Schloss behalten in dem die vielen schönen Träume leben sollten die sie geträumt hatte und für ihr Leben hielt, aber der Sturm tobte gnadenlos weiter und schleuderte immer mehr Steine dem Erdboden entgegen.

Irgendwann hatte das viele Schreien sie müde und kraftlos gemacht, die Gewalt des Sturms verzweifelt, sie hatte der Wahrheit mit der er Stein für Stein los riss nichts mehr entgegen zu setzen und schlief weinend ein.

Als der Morgen kam schien die Sonne als wäre das Heute die Fortsetzung von Gestern… aber das was Gestern so hoffnungsvoll dem Himmel entgegen geragt hatte, lag jetzt als ein riesiger Schuttberg in Staubwolken verhüllt vor ihr…

Sie erkannte, das man aus Worten die schön, groß und mächtig scheinen, keine Schlösser bauen kann wenn ihnen der Wert, die Bedeutung und das Gewicht fehlen, leere Worthülsen halten schon dem leichtesten Hauch von Wahrheit nicht stand... und keine Stimme ist laut genug um die Wahrheit weg zu schreien...

Und während sie da noch mit tränenblinden Augen verzweifelt über das nachdachte was geschehen war, kam der Mensch vorbei der ihr sagte das es keinen Grund gäbe so traurig zu sein und das sie sich doch ein neues Schloss bauen könne und er legte ihr neue Worte zu Füßen.

Sie sah ihn traurig an, stand auf, drehte sich schweigend um und ging davon dem Horziont entgegen...