Dienstag, 7. Januar 2014

Verlustängste

Es gab mal eine Zeit da hielt ich mich für bärenstark und "unkaputtbar". Vermutlich war ich es in jenen Tagen auch - zumindest irgendwie.
Die Vorstellung zu wollen und nicht zu können... undenkbar. 

Das Leben schien wie eine Treppe auf der es Stufe für Stufe nur immer weiter nach oben geht. Das es irgendwann nicht höher gehen kann, ich glaube das kam mir nie in den Sinn und schon gar nicht die Frage wie es weitergehen soll und kann, wenn man erst einmal ganz oben ist.
Das Leben erschien mir wie ein Abenteuer indem es viel zu erleben gibt, immer neue Schätze und Erinnerungen erobert, gewonnen und behalten werden. Es war etwas was immer mehr wurde - auf die Idee das etwas verloren gehen könnte - verbunden mit viel Trauer und Schmerz - auf die Idee bin ich auch nicht gekommen.

Im Grunde bin ich in einer (Traum-Märchen-)Welt aufgewachsen, die jenseits meiner erlebten Realität war - und erst recht jenseits dessen, was Leben noch alles heißen kann.

Als ich 19 war, hatte ich schon sehr viele, sehr furchtbare Dinge erlebt - und sie alle überlebt, nicht zuletzt durch die Flucht in meine Traumwelt. Wenn man mich in jenen Tagen gefragt hätte, was das Schlimmste wäre was mir passieren könnte, dann hätte ich vermutlich gelacht und gesagt, dass es nichts mehr gibt was schlimmer sein könnte, als das was ich bereits hinter mir gelassen habe.

Das war ein Irrtum.
Für mich völlig plötzlich und unerwartet starb mein Vater mit gerade mal 45 Jahren. Für mich ist da eine Welt zusammen gebrochen von einer Minute auf die andere, völlig unfassbar, völlig unglaublich, für mich gar nicht zu verstehen. Dieses Ereignis hat mich traumatisiert, völlig entwurzelt und orientierungslos zurück gelassen. Es war vielleicht das erste Mal in meinem Leben, dass ich keinen Notfallplan hatte, keine Taktik mit der ich mich der Wirklichkeit entziehen konnte und begreifen musste das es nicht nur immer Stufen im Leben nach oben geht, nicht alles immer mehr und besser wird - sondern es auch viel zu verlieren gibt - ohne das sich irgendetwas dagegen tun lässt.
Diese Angst - ohne jede Vorwarnung, von einem auf den anderen Augenblick, zu verlieren, habe ich seitdem nie mehr wirklich verloren. Sie ist etwas die in aller Freude, in allem Glück, in allen ruhigen Fahrwassern des Lebens, mitschwingt. Alles könnte jederzeit das letzte Mal sein. Manchmal ist mir das mehr, manchmal weniger bewusst - aber irgendwie ist diese Angst unterschwellig immer da.

Längst habe ich begriffen, dass das Leben nicht eine Treppe ist die nur Stufen nach oben hat... Irgendwann wird es Zeit sich auf den Rückweg zu machen... Und das scheint nichts zu sein was bewusst passiert... Eines Tages wachte ich auf und habe gemerkt das ich nicht nur silberne Fäden im Haar habe - sondern heute auch vieles schwer fällt was einmal so einfach war... 

Und die Angst zu verlieren bekommt ein neues Gewicht - gerade in den schönen Augenblicken schwingt jetzt schon immer ein Hauch der Vergänglichkeit mit... Die besondere Kunst scheint darin zu bestehen, sich der Vergänglichkeit bewusst trotzdem die Angst vor dem Verlieren nicht siegen zu lassen und das Leben zu leben solange es währt...